06.04.2023 Politik

Pflegereform – ungenügende Entlastung pflegender Angehöriger?

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) will mit dem vom Kabinett beschlossenen Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (PUEG) mehr Leistungen für stationäre und ambulante Pflege zur Verfügung stellen. Mit dieser Pflegereform sollen auch Eltern bei der Pflegeversicherung entlastet, Pflegeleistungen gemäß den wachsenden Kosten dynamisiert und Pflegeheimkosten gebremst werden.

Der Gesetzesentwurf muss noch durch den Bundesrat und Bundestag – Änderungsvorschläge können noch aufgenommen werden. Kritisiert wird am Gesetzentwurf u. a., dass er bei der Entlastung pflegender Angehöriger hinter dem Koalitionsvertrag zurückbleibt.

Notwendig wurde die Pflegereform aufgrund der stark steigenden Kosten in der Pflege, so das BMG. Die Pflegeversicherung soll finanziell stabilisiert werden. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber beauftragt, Eltern mit Kindern zu entlasten.

Folgende Regelungen finden sich u.a. im Entwurf des PUEG:

  • In der häuslichen Pflege wird das Pflegegeld erhöht, ebenso die ambulanten Sachleistungsbeträge.
  • Das Pflegeunterstützungsgeld kann von Angehörigen künftig pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person in Anspruch genommen werden (bisher beschränkt auf einmalig insgesamt zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person).
  • Die Zuschläge werden erhöht (nach § 43c SGB XI), die die Pflegekasse an die Pflegebedürftigen in vollstationären Pflegeeinrichtungen zahlt.  
  • Die Geld- und Sachleistungen werden regelhaft in Anlehnung an die Preisentwicklung automatisch dynamisiert. Für die langfristige Leistungsdynamisierung wird die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode Vorschläge erarbeiten. 
  • Die komplex und intransparent gewordenen Regelungen zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit in § 18 SGB XI werden neu strukturiert und systematisiert.

Darüber hinaus soll das Gesetz die Arbeitsbedingungen für beruflich Pflegende verbessern. Das Personalbemessungsverfahren soll durch die Vorgabe weiterer Ausbaustufen beschleunigt werden.  Dabei soll allerdings die Situation auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt berücksichtigt werden. Geplant ist ein Kompetenzzentrum Digitalisierung und Pflege sowie ein Förderprogramm für digitale und technische Anschaffungen, um das Potenzial der Digitalisierung für die Pflege im Sinne der Entlastung zu nutzen.

Um die Finanzierung der Pflegeversicherungsleistungen zu stabilisieren, soll der Beitragssatz um 0,35 Prozent auf 4 Prozent steigen. Eltern sollen je nach Kinderzahl einen niedrigeren Beitragssatz bis zum 25. Lebensjahr des Kindes bzw. der Kinder zahlen. Der Arbeitgeberanteil bei der Pflegeversicherung beträgt 1,7 Prozent.

Kritik am Gesetzentwurf

Corinna Rüffer, Berichterstatterin für Behindertenpolitik der Bundestagfraktion Bündnis 90/Die Grünen kritisiert: „Wichtige Maßnahmen zur Entlastung pflegender Angehöriger, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurden, fehlen im Kabinettsentwurf. Pflegende Angehörige sind eine wichtige Säule im sozialen Gefüge unserer Gesellschaft. Dazu gehören auch Eltern mit behinderten Kindern.“ Diese würden von dem flexibel einsetzbaren Jahresbudget für Entlastungsleistungen profitieren, denn pflegende Angehörige sind auf Leistungen der Verhinderungspflege angewiesen zum Erhalt ihrer eigenen Gesundheit. Diese Leistung sei aber aus dem Gesetzesentwurf gestrichen worden. Der Kabinettsentwurf müsse dringend nachgebessert werden, so Rüffer. Auch Sozial- und Betroffenen-Verbände kritisieren, dass das Entlastungsbudget - der gemeinsame Jahresbetrag für die Verhinderungs- und Kurzzeitpflege gemäß Paragraf 42a SGB XI des Referentenentwurfs - gestrichen wurde.

Die von der Koalition geplanten Neuregelungen in der Pflege werden ebenso von Fachverbänden teilweise heftig kritisiert und als nicht nachhaltig bewertet. Vermisst wird eine langfristige strukturelle und finanzielle Absicherung der Pflege. Der Sozialverband VdK kritisiert die Pflegereform als unausgegoren. Durch die mangelnde Gegenfinanzierung könnten die Kosten am Ende bei den Pflegebedürftigen landen.

Vertiefte Informationen bietet die Website des BMG sowie der Entwurf des Gesetzes zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (PUEG).

(Quellen: Bundesministerium für Gesundheit, Deutscher Bundestag, Corinna Rüffer)

 


Kommentare (2)

  1. Sandra U.
    Sandra U. 18.04.2023
    Die Nachbarschaftshilfe muss mehr gestärkt werden. Bundeseinheitlich und vereinfacht.
  2. Sibylle Mönch
    Sibylle Mönch 12.04.2023
    Diese Regelungen benachteiligen mal wieder alle pflegende Angehörige. Die Gelder die gehen wieder mal direkt in die großen Pflegefirmen!!! Als pflegender Angehöriger bin ich zwar Renten- und Arbeitslosenversichert, ja auch Unfallversichert, aber nicht Krankenversichert. An meinem Beispiel kann man gut erkennen wie unangemessen diese Regelungen sind.
    Ich pflege schon seit einigen Jahren meine Eltern. Das konnte ich nur durch Arbeitszeitreduzierung auf 10 Std. /Woche. Dann wurde ich Krank und dann arbeitslos. Nun werde ich gezwungen einen Job anzunehmen von mind. 15 Std./Woche, den ich gar nicht leisten kann, weil der Pflegeaufwand ein Vollzeitjob geworden ist. Es wird nicht anerkannt, das verstehe ich nicht. Und über das Angebot mir ein Darlehen zu beschaffen (wenn auch zinslos) um dann meine Krankenverscherung (KV) und mir meine Leistung selbst zu vergüten, kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Ich glaube es wird Zeit das der Gesetzgeber die vielen pflegenden Angehörigen befragt was Zielführend ist und nicht die Lobbyisten der Pflegewirtschaft. Mir wäre schon geholfen, wenn die Pflegekasse auch meinen KV-Beitrag übernehmen würde und wenn meine Arbeit nicht zwingend als "Ehrenamt" angesehen würde.

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